Das Meer hat ein Lied gesungen und versunken am Strand, lausche ich der Musik. Helle Sopranstimmen, wenn die Wellen an das Ufer brechen, weiter draußen der Bariton, das tiefe Rauschen, wie ein Raunen, das aus der Tiefe des Meeresbodens kommt. Weiße, fette Möwen lassen sich vom Wind treiben, stimmen mit quiekenden Vogellauten ein in das Konzert – Kinder spielen Ball, schreien umher: Ein Erd-Choral ist entstanden. Gehen alle Seelen zurück ins Meer?Ich denke an Falten – gerade nun, wo vor meinen Füssen das Meer sich entfaltet, Welle auf Welle entsteht. Niemals wird die Welle, die ich sehe, wiederkommen – nur einmal, an diesem Tag wird sie sich zeigen, untertauchen und verschwinden in der Weite des Ozeans. Kein Lied wird wieder ähnlich klingen, wie dieses – es wurde mir nur einmal gespielt, danach wird ein anderes folgen. Ich denke an die Falte. Wieso? Wären wir im Stande, nur einen Bruchteil einer Sekunde zurück zu drehen, die Welt würde untergehen – sie könnte die Wiederholung der Myriaden von Ereignissen nicht verkraften. Es ist die Erinnerung, die uns vor dem Wahnsinn bewahrt, dass nichts so ist, wie es einmal war, dass die Brust, die uns säugte sich verwandelte, dass die kleine Welle, dieses Kind, zurückfließt ins Unkenntliche. Die Erinnerung, sie ist trügerisch, schön gefärbt, niemals wahr, aber immer immer wunderbar. Die Bilder haben sich in ihr gefaltet, das Gesicht der Geliebten strahlt in ihr, Gerüche haben sich dort gesammelt, Stimmen und die Berührung einer Hand. Was erinnert wird, bekommt neues Leben, ein anderes, aus dem es sich speiste. „Der kleine Prinz“ sagt, man müsse mit dem Herzen sehen – in der Falte schlummert die Essenz, liegt das verborgene Gefühl. Die Welt ist gefaltet, sie hat keine Tiefe, die Geheimnisse können nur oberflächlich entfaltet werden. Ein Traum, der kommt, uns berührt und von fremden Dingen berichtet – die Liebe, die unerwartet hereinbricht und alles Denken verändert, Worte, die wie aus einer anderen Welt kommen, Musik oder ein Gemälde, was völlig selbst entsteht, als hätte alles ein Eigenleben – das sind Falten, die aufgebrochen werden, wo, wie aus einer Flasche, ein Geist entspringt. Auch dieser Text hat sich irgendwie entfaltet – wollte ich doch eigentlich etwas über den „heiligen Orgasmus“ schreiben. Der Orgasmus, indem sich alles entfaltet … die Bilder, die Sinne zum Explodieren bringt, verborgene Gefühle nach oben schwemmt, sich wie die Welle verhält, die krachend ans Ufer bricht. Ich wollte mich zu der gewagten Behauptung hinreißen lassen, dass die Wahrheit im Erotischen liegt. Gerne hätte ich mit nur einem Pamphlet alle Genitalien zum Brennen gebracht. Doch das überdenke ich nun und werde es verschieben.
Wunderschön, ich liebe deinen Schreibstil einfach!! Und in einsamen Nächten hat der Text wohl, wie so oft bei deinen Worten, suchtpotential. Habe ich doch glatt schon ein paar mal gelesen. 😉
– Manchmal ärgere ich mich ja, dass ich nur einmal ‚gefällt mir‘ drücken kann.
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Ich danke Dir für diese tollen Worte.
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Sehr gern. (:
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Ich mag Wellentexte und Worte, die sich gewaltig wie Berge auffalten, wie Wellen einmalig heranschwemmen, die Seele umspülen und zurückdriften in die Strömung der Gezeiten.
Wunderbar geschrieben.
Was war noch mal das Thema?
Heilig.
Genau.
Marvin Gaye dazu.
Kommt. Gut.
😊✨
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Danke für diese Wellen Deiner Worte, sie haben sich mich umspült und wenn sie wieder zurück in die Unendlichkeit fließen, hinterlassen sie ein schönes Bild.
Genau: „heilig“ war das Thema – die Heiligkeit in uns, in unserem Begehren.
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Das Bild beschreibt meine Lebenseinstellung perfekt!
Liebe Grüße,
Lettercastle
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Wie schön, dass Du mich gefunden hast! Komme ich nun in den Genuss bei Dir zu lesen. Schreib, Kadee, schreib!
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Oh Danke! Ich werde mich anstrengen – extra für Dich 😉
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